25 Jahre SED-Unrechtsbereinigungsgesetze: Lutz Rathenow für Entfristung der Reha-Gesetze

25 Jahre SED-Unrechtsbereinigungsgesetze: Lutz Rathenow für Entfristung der Reha-Gesetze

3/2017 Datum 03.11.2017

Vor 25 Jahren, am 4. November 1992 trat das 1. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz in Kraft. Artikel 1 enthielt das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG), das den geschätzt 280.000 politi-schen Häftlingen der DDR erstmals die Möglichkeit gab, die gegen sie gefällten rechtsstaatswidri-gen Urteile überprüfen und aufheben zu lassen.

Seit Inkrafttreten des Gesetzes nutzten bundesweit 225.000 Personen diese Möglichkeit. Bis zum 30. Juni 2017 stellten allein in Sachsen 48.416 Menschen einen Antrag auf strafrechtliche Rehabilitierung. Für die aus politischen Gründen zu Unrecht erlittene Haft erhalten rehabilitierte Betroffene eine Kapitalentschädigung, die sich an der Haftzeit bemisst. Pro angefangenen Haftmonat wird eine Entschädigung von 306,78 EUR gewährt. Seit 2007 gibt es zudem die sogenannte Opferrente in Höhe von monatlich 300,00 EUR für jene, die 180 Tage in politischer Haft waren und strafrechtlich rehabilitiert sind. Bis zum 30.10.2017 haben allein in Sachsen 15.620 Menschen diese Opferrente beantragt. In 10.913 Fällen wurde sie bewilligt.

Dass das Thema politische Haft in der DDR und deren Entschädigung kein abgeschlossenes Kapitel der DDR-Geschichtsschreibung ist, zeigen die aktuellen Zahlen. So wurden im Kalenderjahr 2016 an sächsischen Gerichten 493 Anträge auf strafrechtliche Rehabilitierung gestellt, im 1. Halbjahr 2017 waren es bereits 257 Anträge. Eine ähnliche Situation haben wir bei der Opferrente: 2016 gab es 212 Anträge, im 1. Halbjahr 2017 waren es 107 Anträge.

Trotzdem soll nach derzeitiger Gesetzeslage die Frist zur Rehabilitierung von SED-Unrecht zum 31. Dezember 2019 auslaufen. Diktaturopfer haben dann keinerlei Möglichkeit mehr, das ihnen zugefügte Unrecht anerkannt und rehabilitiert zu bekommen.

Der Sächsische Landesbeauftragte Lutz Rathenow plädiert deshalb entschieden für eine Entfristung der Rehabilitierungsgesetze: „Dass Diktaturopfer dauerhaft das Recht haben sollten, ihre rechtsstaatswidrige Verurteilung aus dem Strafregister entfernen zu lassen oder ihre persönliche Diskriminierung als rechtsstaatswidrige Maßnahme bestätigt zu bekommen, ist für die Betroffenen essentiell wichtig. Dafür darf es kein Verfallsdatum geben, denn Unrecht kennt keinen Fristablauf. Den Betroffenen das Recht zu nehmen, politisches Unrecht staatlich anerkennen zu lassen, würde SED-Unrecht fortschreiben. Die Entfristung ist ein Zeichen, dass Opfer politischer Gewalt einen hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft genießen. Entfristung bedeutet solidarische Anteilnahme der Gesellschaft, das Auslaufen hingegen bedeutet Ignoranz und Kälte den Opfern gegenüber. Es wäre ein wichtiges Zeichen, wenn die neu gewählten Abgeordneten des Deutschen Bundestages gleich am Anfang der Legislatur eine Entfristung beschließen würden.“