80 Jahre Bodenreform – Erinnerung an ein Unrecht mit weitreichenden Folgen

18/2025 Datum 29.08.2025

„Die Bodenreform von 1945 war der erste Schritt auf dem Weg in die vollständige staatliche Kontrolle des ländlichen Raums. Was als Neuanfang verkauft wurde, war in Wirklichkeit ein Systemwechsel hin zu Zwang, Zentralisierung und Verlust der Unabhängigkeit. Die Folgen dieses tiefgreifenden Prozesses sind bis heute spürbar: Die Zerstörung bäuerlicher Traditionen, der Verlust privaten Eigentums und die langfristige wirtschaftliche Schwächung prägen noch immer Teile Ostdeutschlands.“, so die Landesbeauftragte Dr. Nancy Aris.

Vor 80 Jahren, am 2. September 1945, leitete Wilhelm Pieck mit seiner Rede in Kyritz die „demokratische Bodenreform“ in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) ein. Was als Entnazifizierung und gerechte Umverteilung von Land deklariert wurde, war in Wahrheit der Auftakt zu einer breit angelegten Enteignungswelle und letztlich zur Umstrukturierung des ländlichen Raums. Für zehntausende Menschen bedeutete die Bodenreform Enteignung, Entrechtung und Vertreibung. Über 7.000 Gutshöfe waren betroffen. Die Familien verloren über Nacht nicht nur ihr Land, sondern auch ihre Heimat und Lebensgrundlage. Gewalt, Enteignung und Ausweisung legten somit den Grundstein für das Herrschaftssystem der DDR auf dem Land. Unter der Losung „Junkerland in Bauernhand“ wurden rund 3,3 Millionen Hektar Agrarfläche entschädigungslos enteignet. Mehr als 7.000 Grundbesitzer verloren ihre Höfe und Ländereien. 35 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche wurde neu verteilt: in zu klein bemessene Neubauernstellen, die wirtschaftlich nicht tragfähig waren. Gerade diese Strukturschwäche diente später als Begründung für die Zwangskollektivierung.

Sachsen war Modellregion für die Einführung der sozialistischen Agrarordnung: Als erstes Land der SBZ wurde hier die Bodenreform systematisch umgesetzt. Auch zahlreiche Rittergüter und Herrenhäuser, über Generationen Teil der sächsischen Kulturlandschaft, wurden enteignet: das Interieur beschlagnahmt, die Gebäude als Bausubstanz genutzt. Dieser Verlust betraf auch gewachsene soziale Strukturen, regionale Identität und kulturelles Erbe.

Die Bodenreform war nur der Auftakt für die vollständige Umgestaltung des ländlichen Raums. Mit der Zwangskollektivierung ab 1952 folgte die zweite Phase. Dann wurden auch die Neubauern, die gerade erst Land erhalten hatten, gezwungen, ihr Land in Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG) einzubringen – mit dem Ergebnis, dass der unabhängige Bauernstand zerstört und die über Jahrhunderte gewachsene Agrarstrukturen zerschlagen wurden. So entstand ein System zentraler Kontrolle, das Werte wie Eigenverantwortung und Tradition systematisch verdrängte.

Mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag von 1990 wurde die Unumkehrbarkeit der Bodenreform völkerrechtlich festgeschrieben. Damit wirkt dieses einschneidende Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte bis in die Gegenwart fort. Die öffentliche Erinnerung an das Unrecht der Bodenreform ist deshalb ein wichtiger Beitrag, um das erlittene Unrecht zumindest sichtbar zu machen und anzuerkennen.

 

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