Privatarchiv von Richard Böttge kommt ins Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.

Privatarchiv von Richard Böttge kommt ins Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.

26/2018 Datum 30.08.2018

Am kommenden Montag, den 3. September 2018, wird das umfangreiche Privatarchiv von Richard Böttge durch dessen Bruder Horst Böttge an das Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V. übergeben. Der Sächsische Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Lutz Rathenow, der die Übergabe initiiert und begleitet hat, wird ebenfalls zugegen sein.

Bis zu seinem Tod im Januar 2015 war der ehemalige Bautzen-Häftling Richard Böttge im Bautzen-Komitee aktiv und führte Zeitzeugengespräche in Schulen, die vom Landesbeauftragten viele Jahre begleitet wurden. Gerade weil er so jung war, als er verfolgt wurde, waren diese Gespräche für die Schüler immer etwas Besonderes.

Richard Böttge war gerade erst 16 Jahre alt geworden, als er im Januar 1951 verhaftet wurde. Er hatte ein Leninbild bemalt. Ein sowjetisches Militärgericht verurteilte ihn zu zehn Jahren Arbeits-lager. Er kam nach Bautzen ins „Gelbe Elend“, dann nach Halle in den „Roten Ochsen“. Die Gnadengesuche der Eltern blieben unbeantwortet. 1954 entließ man ihn aufgrund einer Amnestie. Er schaffte es, sich als Ingenieur für Heizungsanlagen in der Fernwärme in Hoyerswerda zu qualifizieren. Mühsam stieg er auf und leitete später eine Abteilung mit knapp 170 Mitarbeitern. Er übernahm die Verantwortung für die Versorgung von 50.000 Wohnungen mit Fernwärme, was in der DDR kein begehrter Posten war. Weil er geschickt agierte, galt er bald als „Ikone der Fernwärme“. Über 35 Jahre arbeitete Richard Böttge erfolgreich in diesem Bereich, wurde ausgezeichnet, doch der Makel seines politischen Arrestes blieb bis zum Ende der DDR an ihm haften.

Sein Bruder Horst Böttge hat diese Geschichte im Buch „Drangsaliert und dekoriert. Von der Kunst des Überlebens in der DDR“ aufgeschrieben. Dafür hat er die Dokumente seines Bruders aus der Haft, die Briefe der Eltern und die umfängliche Stasi-Akte, die seine jahrzehntelange Beobachtung belegt, herangezogen. Diese Dokumente zeigen die Komplexität eines Lebens zwischen unmittelbarer Verfolgung und beruflichem Aufstieg, sie belegen auch die Versuche, mit Zivilcourage zu agieren trotz beruflicher Hindernisse und der Stasi im Genick. Weil sie die ganze Fülle eines Lebens in der Diktatur abdecken, sind sie so wichtig für die Nachwelt. Das Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V. ist der richtige Ort dafür. Erst im Mai übernahm es mit Hilfe des Landesbeauftragten den Nachlass von Ellen Thiemann, eine der wichtigsten Chronistinnen des Frauengefängnisses Hoheneck.

Lutz Rathenow dazu:

„Das Archiv Bürgerbewegung Leipzig entwickelt sich immer mehr zu einem herausragenden Archivstandort, der offen zugänglich ist und von jedermann genutzt werden kann. Es ist ein interessanter Aufarbeitungsanreger, der nach ganz Sachsen ausstrahlt.“