Zwischen 1961 und 1989 wurden in der DDR tausende Mädchen und Frauen gegen ihren Willen in geschlossene Venerologische Stationen eingewiesen. Offiziell hießen die Gründe "Herumtreiberei" und "Arbeitsbummelei". Tatsächlich litt aber nicht einmal jede dritte Betroffene an einer Geschlechtskrankheit. Der Medizinhistoriker und Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin an der Universität Ulm, Prof. Dr. Florian Steger, hat dieses lange Zeit vernachlässigte Thema intensiv erforscht. Am 4. Juni 2019 referiert er über Hintergründe und Praktiken der im Volksmund abschätzig "Tripperburgen" genannten Stationen und das in ihnen verübte Unrecht.
Auf der Grundlage umfangreicher Archivrecherchen und Zeitzeugeninterviews belegen Stegers Forschungen, dass venerologische Einrichtungen vielfach nicht der Genesung dienten, sondern Orte der Disziplinierung waren. Während ihrer Unterbringung sollten die Mädchen und Frauen zu "sozialistische Persönlichkeiten" erzogen werden. In dieser Zeit mussten sie oft täglich gynäkologische Untersuchungen, sexualisierte Gewalt oder medizinische Experimente über sich ergehen lassen sowie teils schwere Arbeit leisten. Viele verließen die geschlossenen Venerologischen Stationen traumatisiert.
Der Sächsische Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Lutz Rathenow, unterstützt die Aufklärung zu diesem wichtigen Thema seit Jahren. Er hat bereits in seinem Tätigkeitsbericht 2014/2015 darauf Bezug genommen. Am 4. Juni 2019 wird er durch die Veranstaltung mit Prof. Dr. Steger führen.
Im Zusammenhang damit tritt die Beauftragte des Landes Sachsen-Anhalt zur Aufarbeitung der DDR-Diktatur, Birgit Neumann-Becker, am Tag darauf um 19 Uhr im Hörsaal der Pathologie des Universitätsklinikums Dresden mit einer Zeitzeugin auf. Der Sächsische Landesbeauftragte, Lutz Rathenow, sagt dazu: "Gerade dieser Doppelauftritt an zwei Tagen an unterschiedlichen Orten der Universität zeigt das Engagement der diese Veranstaltungen organisierenden Studenten. Besonders freue ich mich, dass meine Kollegin aus Sachsen-Anhalt Zeit für die Durchführung eines Abends gefunden hat. Das zeigt, wie gut die Landesbeauftragten auch über Landesgrenzen zusammenarbeiten."
Repression durch Medizin - Zwangseinweisung unliebsamer Frauen in der DDR
04.06.2019 │ 19:00 Uhr │ Hörsaalzentrum der TU Dresden, Hörsaal 2, Bergstraße 64
Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Repression durch Medizin - Zwangseinweisung unliebsamer Frauen in der DDR
Gespräch mit Zeitzeugin, Moderation: Birgit Neumann-Becker (Beauftragte des Landes Sachsen-Anhalt zur Aufarbeitung der SED-Diktatur)
05.06.2019 │ 19:00 Uhr │ Hörsaal der Pathologie, Universitätsklinikum Dresden, Schubertstr. 15
Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Pressekontakt:
Alexander O. Müller, M.A.
Sachbearbeiter beim Landesbeauftragten
Unterer Kreuzweg 1 | 01097 Dresden
Tel.: +49 (0)351 493 3705 | Fax: +49 (0)351 451031 3709
Mail to: alexander.mueller@slt.sachsen.de | www.landtag.sachsen.de