Der AfD-Abgeordnete Ulrich Lupart warf der Sächsischen Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur am 13. August 2024 vor, ihr politisches Amt zu missbrauchen, „um den Ungeist der Zensur wieder zu verbreiten“ und „zum Jahrestag des Mauerbaus die Meinungsfreiheit einschränken zu wollen“, weil sie sich gegen den Auftritt von Peter Hahne in der Gedenkstätte Hoheneck ausgesprochen hatte.
Dazu erklärt Dr. Nancy Aris Folgendes:
„Dass die AfD mir vorwirft, die Meinungsfreiheit einschränken zu wollen, verkennt den Kern meiner Ablehnung der Veranstaltung mit Peter Hahne. Meine Kritik an der von der AG Welt e.V. geplanten und der Stadt Stollberg genehmigten Großveranstaltung im ehemaligen Gefängnishof ist grundsätzlicher Natur. Der Journalist Peter Hahne kann sprechen und unzufriedene Bauern sollen demonstrieren, so oft sie wollen und so lange sie wollen. Ich bin ausdrücklich für freie Meinungsäußerung, so sie die Grenzen, die im Grundgesetz festgeschrieben sind, nicht verletzt. Es gibt aber auch Rahmenbedingungen für Versammlungen. Diese sind für den Freistaat Sachsen im Sächsischen Versammlungsgesetz (SächsVersG) festgeschrieben. Das Versammlungsgesetz trägt historischen Orten in besonderer Weise Rechnung. § 15 legt fest, dass eine Versammlung verboten oder von bestimmten Beschränkungen abhängig gemacht werden kann. Nämlich dann, wenn diese an einem Ort von historisch herausragender Bedeutung stattfindet, der an Menschen erinnert, die unter nationalsozialistischer oder kommunistischer Gewaltherrschaft Opfer menschenunwürdiger Behandlung waren, die Widerstand gegen die nationalsozialistische oder kommunistische Gewaltherrschaft geleistet haben. Lassen Umstände erkennen, dass durch die Versammlung die Würde o. g. Opfergruppen beeinträchtigt wird, kann die Veranstaltung verboten oder beauflagt werden.
Hoheneck erfüllt alle im Gesetz definierten Punkte: das Gefängnis war im Nationalsozialismus und in der SBZ/DDR ein besonders grausamer Repressionsort. Hier wurden während der Nazi-Herrschaft Menschen zwangssterilisiert und ermordet, Gefangene starben an den katastrophalen Haftbedingungen, an Unterernährung, an Erschöpfung, an nicht behandelten Krankheiten. Bislang konnten insgesamt 170 Todesopfer ermittelt werden. Bis 1990 lagerten auf dem Dachboden der Haftanstalt 35 Urnen von eingeäscherten Frauen.
Hoheneck ist deshalb nicht nur eine Gedenkstätte, die über vergangenes Unrecht aufklärt. Das Areal ist auch ein Gedenkort für die Toten. Hier können Hinterbliebene ihrer Angehörigen gedenken und um sie trauern.
Die geplante Veranstaltung beeinträchtigt die Würde der Opfer erheblich. An mich haben sich Opferverbände und einzelne Betroffene gewandt und den würdelosen Umgang mit diesem Ort heftig beklagt. Sie fühlen sich in ihrer Würde verletzt und sehen sich mit ihrem Verfolgungsschicksal für andere politische Inhalte instrumentalisiert. Die Toten können ihre Stimme nicht mehr erheben.
Auch ich sehe eine Grenze überschritten. Die Veranstalter rechnen mit ca. 2000 Besuchern. Kein Mensch käme auf die Idee, zu einem Massenhappening auf einen Friedhof einzuladen, Grillwürstchen und Getränke anzubieten und die Besucher dazu zu animieren, Campingstühle mitzubringen. Der Gefängnishof war ein Ort des Schreckens. Hier wurden zu DDR-Zeiten Frauen gedrillt, mussten im Winter ohne Schuhe im Zickzack laufen. Er ist elementarer Bestandteil des Gedenkortes, der deshalb mit öffentlichen Fördermitteln in den ursprünglichen Zustand zurückgebaut wurde. Er ist keine Eventlocation.
Die Veranstaltung mit Peter Hahne als „Gottesdienst“ zu deklarieren, hat offenbar nur den Zweck, die in § 15 des SächsVersG festgelegten Bestimmungen außer Kraft zu setzen, da diese laut § 16 nicht für Gottesdienste unter freiem Himmel gelten.
Doch es gibt so etwas wie Pietät, die jenseits der Paragraphen im Sächsischen Versammlungsgesetz zum moralischen Kompass eines Oberbürgermeisters gehören sollte. Grillwurststand und Getränkewagen direkt neben dem Gedenkstein platzieren zu wollen, spricht nicht dafür. Da fragt man sich, ob die bei der Eröffnung der Gedenkstätte präsentierte Ehrfurcht vor dem Ort und das Verneigen vor dem Schicksal der Frauen vom Oberbürgermeister wirklich ernst gemeint waren“.
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Dr. Teresa Tammer
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