Am 22. April 2022 verstarb der Soziologe und Zeithistoriker Manfred Wilke im Alter von 80 Jahren. Wilke galt als einer der Köpfe der deutschen Kommunismusforschung. Doch beschäftigte er sich nicht nur als Forscher mit der Geschichte des Realsozialismus, sondern auch als aktiver Unterstützer osteuropäischer Dissidenten. Gemeinsam mit Hannes Schwenger und Otto Schily gründete er aus Anlass der Biermann-Ausbürgerung 1976 in West-Berlin das Schutzkomitee Freiheit und Sozialismus. Es war die erste linke Organisation im gewerkschaftlichen Milieu, die sich nach der Verhaftung ostdeutscher Künstler und Arbeiter für ihre Freilassung einsetzte. Sein Engagement für Jürgen Fuchs, Wolf Biermann und Robert Havemann war für die Opposition im Osten wichtig, weil nun im Westen darüber gesprochen wurde und er jenen Dissidenten, die die SED mundtot machen wollte, eine Stimme gab. So waren durch Manfred Wilke Tonbandaufnahmen von Robert Havemann im Westradio zu hören.
Manfred Wilke betrachtete die DDR nicht im Kleinen, sondern immer in einem mittel- und osteuropäischen Zusammenhang. Dies betraf die Einbettung ihres Herrschaftsapparates in den sowjetischen Machtbereich wie auch die dissidentischen Netzwerke.
Nach dem Mauerfall setzte sich Manfred Wilke im universitären Bereich intensiv für eine schonungslose und nachhaltige Aufarbeitung der DDR ein. Er war Mitbegründer des "Forschungsverbunds SED-Staat" und von 1996 bis 2006 dessen Leiter. Manfred Wilke legte zahlreiche einschlägige Publikationen vor. Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit engagierte er sich wissenschaftspolitisch. Er wirkte u. a. in der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur“ und im Beirat des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen mit.
„Ich selbst lernte Manfred Wilke in verschiedenen Gremien kennen. Er war eng mit Sachsen verbunden und betonte dies stets. Immer wieder erinnerte er an die Bedeutung zentraler Verfolgungsorte wie Bautzen und Hoheneck und würdigte den Widerstand der Leipziger. Manfred Wilke widmete sich mit Herzblut und in anregendem Streit den großen Zusammenhängen. Auch wenn sein Sehvermögen nicht mehr das beste war, behielt er bis zum Schluss einen trennscharfen Durchblick. In den letzten Jahren bewegte ihn zunehmend die Frage, wie es gelingen kann, das akkumulierte Wissen und die Erfahrung der Zeitzeugen an nächste Generationen weiterzugeben. Ich hoffe, dass sein Wirken in neuen Forschungsarbeiten und Debatten weiterleben wird. Manfred Wilke wird uns fehlen“, meint die Sächsische Landesbeauftragte Dr. Nancy Aris.
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Dr. Nancy Aris
Sächsische Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
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