Sächsische Landesbeauftragte erinnert an die Zwangsaussiedlungen an der innerdeutschen Grenze

6/2022 Datum 23.05.2022

Detailansicht öffnen:
Die ehemalige innerdeutsche Grenze, heute Biotopverbund Grünes Band Deutschland, nahe Tiefenbrunn(Grenze Sachsen-Bayern).

Vor 70 Jahren, am 26. Mai 1952, beschloss der DDR-Ministerrat im Rahmen der „Aktion Ungeziefer“ die Aussiedlung von Menschen an der innerdeutschen Grenze. Mit dieser Aktion sollte die Grenze der DDR zur Bundesrepublik nach innen gesichert werden, denn betroffen waren Grenzbewohner, die als „politisch unzuverlässig“ eingestuft wurden. In Sachsen erfolgten die Zwangsaussiedlungen vor allem in den Landkreisen Plauen und Oelsnitz. Allein im Landkreis Oelsnitz waren über 100 Familien betroffen. Diese wurden von der Anordnung völlig überrascht: Binnen weniger Stunden hatten sie ihr Hab und Gut zusammenzupacken und verloren plötzlich ihre Heimat. Haus und Hof blieben zurück, wie auch das meiste Inventar.

Die Zwangsaussiedlungen waren ein Trauma. Die Betroffenen wurden zwangsweise an unbekannte, weit entfernte Orte verbracht. Dort angekommen erwartete sie meist ein schwieriger Neubeginn: Die zugewiesenen Wohnungen und Arbeitsplätze waren minderwertig. Darüber hinaus wurden sie dem neuen Umfeld als Verbrecher gebrandmarkt und standen als politisch vorbelastete Personen weiter unter Beobachtung.

Die Sächsische Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Dr. Nancy Aris, mahnt, dass die Opfer dieser perfiden Verfolgungsmaßnahme nicht aus dem Blick geraten dürfen: „Über die Zwangsaussiedlungen auf sächsischem Gebiet ist bislang wenig bekannt. Deshalb nimmt sich unsere Behörde mit einer Forschungsarbeit diesem Thema an und trägt damit zur Aufarbeitung dieses düsteren Kapitels bei. Für die Betroffenen aber ist es unumgänglich, endlich eine angemessene Wiedergutmachung zu erhalten. Das ist angesichts ihres fortgeschrittenen Alters dringend geboten.“

Hintergrund:
Die Zwangsaussiedlungen entlang der innerdeutschen Grenze waren geheime, generalstabsmäßig geplante Operationen und erfolgten unter Tarnnamen wie „Aktion Ungeziefer“ oder „Aktion „Kornblume“. In zwei großangelegten Aussiedlungswellen wurden 1952 und 1961 insgesamt 12.000 Menschen zwangsweise enteignet und umgesiedelt. Es handelte sich um politisch unliebsame Personen. Hinzu kamen willkürliche Entscheidungen und Denunziationen. Dieses Vorgehen schürte Angst unter den Menschen im Grenzgebiet und erzeugte einen besonders hohen Anpassungsdruck.

Pressekontakt:
Magdalena Ermlich
Stellvertretende Sächsische Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
Tel.: +49 (0)351 493 3704 | Fax: +49 (0)351 451031 3709
E-Mail: magdalena.ermlich@slt.sachsen.de